Vergangene Woche war ich im Norden Äthiopiens unterwegs. Jedoch bin ich nicht als Tourist gereist. Meine erste und sehr prägende Zeit in Äthiopien habe ich in Debre Markos verbracht in einem Waisenhaus der Mutter Teresa Schwestern. Damals (2011) waren 140 Kinder in dem Haus untergebracht, heute sind es nur mehr rund 70 Kinder. Die Regierung hatte voriges Jahr ein Programm gestartet, das zum Ziel hat, die Waisenhäuser in Äthiopien in ihrer Anzahl zu verringern. Deshalb wurden Familienangehörige der Kinder gesucht und die Kinder zurück in ihre Familien gebracht, oder „re-integriert“ , wie ich oft gehört habe. Schon im vergangenen Jahr war ich bei diesen Wiedereingliederungsprozessen dabei und habe die Kinder begleitet. Viele haben ihr ganzes Leben im Waisenhaus verbracht – die Trennung von Freunden und allem Bekannten fiel vielen Kindern sehr schwer. Die Kinder kamen zu Familienmitgliedern die sie bis dahin nicht kannten und die teilweise sehr arm sind. Manche dieser Angehörigen wollten die Kinder gar nicht haben. Andere Kinder haben es sehr gut getroffen und leben jetzt bei sogar noch lebenden Elternteilen. Die älteren leben alleine. Die Schicksale der Kinder sind sehr individuell.
<p align="center"
<p align="center"
<p align="center"
Ich wollte die Kinder, soweit möglich, besuchen und sie, wenn notwendig unterstützen. Dank der Spendengelder aus Österreich, die ich von vielen Seiten erhalten habe war es möglich hier einiges zu tun. Alleine wäre mir das natürlich nicht gelungen: geholfen hat mir Tesfay, der im Waisenhaus als Krankenpfleger arbeitet und die Kinder seit Jahren kennt. Auch ihm war es ein Herzensanliegen sie zu unterstützen und er hat alles für mich geregelt, wofür ich sehr dankbar bin!
<p align="center"
<p align="center"
Der erste Tag meiner Reise ging von Addis nach Debre Markos. Da ich kein Busticket mehr bekommen habe, musste ich einen Minibus nehmen. Die Fahrt dauerte 8 Stunden und war sehr anstrengend. In DM habe ich mich mit Tesfay getroffen und wir haben den Plan für die nächsten Tage ausgearbeitet. Dann war ich noch am Compound bei den Schwestern und Kinder. Als mich die Kinder gesehen haben, haben alle laut meinen Namen geschrien und sind auf mich zu gerannt. Ich kann geküsst nicht beschreiben was für ein wunderbares Gefühl es war geküsst und umarmt zu werden. Eine der Schwestern (sie ist neu) hat zu mir gesagt: „Oh they are so happy that you are here“ und genauso erging es mir.
Wir sind am nächsten Tag weiter nach Bahir Dar. Dort leben 10 Kinder.
Schon vor der Reise haben wir uns entschlossen alle Kinder in jedem Fall in der Schule zu unterstützen und haben für jedes Kind ein Schulpaket (mit Stiften, Heften, Spitzer, Zirkel, Linal usw.) vorbereitet. Wir haben uns mit den Kindern an einem Ort getroffen und ihnen die Pakete übergeben.
Dabei kamen wir auch mit Kindern ins Gespräch. Besonders schockierend war für mich, das gerade die Kinder, die ich letztes Jahr in gutem Zustand gesehen habe nach einem Jahr ganz verändert waren.
<p align="center"
<p align="center"
Yobda beispielsweise lebt mir ihrer Tante in einem schönen Haus und unter guten Umständen. Als sie uns erzählt hat, dass sie in eine Schule für hörgeschädigte Kinder geht, war ich erstaunt, denn Yobda hat keine Probleme mit ihrem Gehör. Der Grund für den Schulbesuch (wohlgemerkt 1. Klasse, obwohl sie 14 ist) ist eine Unterstützung durch eine NGO von hundert Birr (4,5€) monatlich.
Atkilt (übersetzt Gemüse 😉 ) haben wir Gewand, Schuhe und Hygiene –Artikel gekauft, sowie Küchenartikel. Sie hat uns erzählt, dass sie das Geschirr, Töpfe usw. mit einer anderen Familie teilen, wenn diese fertigen sind verwenden sie es und umgekehrt. Außerdem haben wir ihr die Monatsmiete für das nächste halbe Jahr gezahlt (ca.100 €).
In Gondar haben wir fünf von sieben Kinder angetroffen. Eine junge Erwachsene (ich glaube sie ist 20) lebt nun mit ihrem Vater an der Grenze zum Sudan und lernt Arabisch, das Schulpaket haben wir ihrem Großvater übergeben.
In Gonder leben 5 ältere Burschen (zw. 17-20 Jahren) alleine. Sie teilen sich zwei Räume und sind sehr selbstständig. Sie bekommen monatlich einen kleinen Betrag Geld als Unterstützung von den Schwestern, müssen sich aber alles selbst organisieren. Ich war überrascht wie gut es ihnen geht. Da sie gemeinsam leben und wie Brüder sind, ist ihre Situation ganz anders. Natürlich nicht einfach: sie kochen selbst (jeden Tag ein anderer), waschen, zahlen Miete und müssen für die Schule lernen – aber gemeinsam geht alles einfacher. Masresha, einer der Fünf, arbeitet jetzt im Sommer als Tagelöhner (11 Stunden am Tag für umgerechnet 1,90€). Die fünf haben sich sehr über unseren Besuch gefreut. Auch für sie haben wir die nächste Halbjahresmiete übernommen und ihnen nahegelegt das Geld zu sparen und beiseite zu legen.
<p align="center"
Überhaupt habe ich darauf wert gelegt, dass das Geld entweder direkt (in Form von Gütern) verwendet, oder gleich den Vermietern übergeben wurde.
Mit den Burschen in Gondar waren wir am Abend noch Essen – es war wie Weihnachten. Fleisch und Milchprodukte haben sie gar nicht und unser Essen war in 2 Minuten aufgegessen. Aber alleine ihnen dabei zu zuschauen hat mein Herz mit Freude erfüllt. Wir haben so viel gelacht an diesem Abend und ich bin mir sicher dass es einer der besten dieses Sommers gewesen sein wird.
<p align="center"
Am nächsten Tag sind wir zurück nach Bahir Dar über Debre Tabor. Dort lebt Betty mit ihrem Vater und ihrer Großmutter. Ich war dabei vor einem Jahr dabei, als Betty zu ihrer Familie zurückgekehrt ist. Auf sie habe ich mich sehr gefreut. Betty war ihr ganzes Leben bei den Schwestern und spricht gut Englisch. Sie ist jetzt 16 und eine der besten ihrer Klasse. Ihr Vater hat mir erzählt, dass mein Name immer fällt, wenn sie von ihrem früheren Leben erzählt.
<p align="center"
Auf dem Weg zurück haben wir in einem kleinen Dorf halt gemacht. Dort lebt Yetemerk mit ihrer Tante. Sie ist 14 Jahre alt und die Familie lebt in großer Armut. Yetermerk ist mit uns nach Bahir Dar gefahren, weil wir auch für sie Kleidung bereitstellen wollten. Als wir an der Straße standen, umgeben von allen Kindern des kleinen Dorfes, die gekommen waren um mich zu sehen (Forenji, Forenji!!) hörte ich plötzlich meinen Namen hinter mir! Zuerst dachte ich es war nur ein ähnlich klingendes amharisches Wort. Als jemand wiederholt „Ulli!“ rief, war ich dann doch erstaunt. Yetemerk hat mir im Minibus erklärt, dass sie den Kindern ihre Fotos gezeigt hat und dabei meinen Namen genannt hat und die Kinder sich diesen anscheinend eingeprägt haben
<p align="center"
<p align="center"
Da wir erst spät am Abend Bahir Dar erreicht haben, hat Yetermerk bei mir im Hotelzimmer geschlafen. Wie es sich für sie wohl angefühlt haben muss mit heißem Wasser zu duschen, eine Toilette zu benutzen und in einem warmen, komfortablen Bett zu schlafen? Es war ein besonderes Erlebnis und wiedermal ist mir klar geworden wie gesegnet ich in meinem Leben bin.
Den Tag darauf haben wir uns auf den Weg gemacht um Kalkidan zu suchen. Kalkidan ist 7 Jahre alt. Auch sie habe ich im vergangen Jahr zu ihrer Mutter gebracht. Kalkidan lebt unter schwierigen Umständen, vor allem auch wegen der Vergangenheit der Mutter. Schon im vergangenen Jahr habe ich für sie die Hausmiete bezahlt (1 Jahr = 90€) und Materialen zum Leben gekauft.
Kalkidan zu finden war nicht einfach. Wir sind auf gut Glück in ihr Dorf gefahren. Dann hat Tesfay mehrere Leute nach dem Namen der Mutter und des Kindes gefragt, bis uns eine Frau schließlich gesagt hat, sie wisse wo das Kind ist. Wir sind zu dem Haus, aber das Mädchen war eine andere Kalkidan. Also sind wir weiter ins Krankenhaus, wo Kalkidan aufgrund ihrer Krankheit regelmäßig einen Checkup durchführen muss. Der Direktor schickte uns zu einer ehemaligen Nachbarin die wissen sollten, wo sich die beiden befinden. Nach einem langen Fußmarsch fanden wir zwar nicht die Nachbarin, dafür aber eine Krankenschwester, die um Klakidan bescheid wusste. Mit ihrer Hilfe gelangten wir schließlich in die richtige Straße. Ich werde den Moment wahrscheinlich nicht vergessen als sie mich gesehen hat: Sie hat sich gerade das Gesicht gewaschen, schließlich hat sie aufgeblickt und die Augen weit aufgerissen. Sie ist auf mich zugerannt und hat mich stürmisch umarmt. Es war ein wunderbares Gefühl.
<p align="center"
Überhaupt waren die kostbarsten Momente dieser Reise die, in denen ich die Freude der Kinder sehen konnte: die Freude über unseren Besuch, das Wissen, dass sie nicht vergessen sind, die Freude ihre langjährigen Freunde zu sehen und für kurze Zeit auszubrechen aus ihrem schwierigen Alltag.
Auf der Rückfahrt mit dem Bus ist uns ein Reifen geplatzt und zusätzlich hat es geregnet. Wir brauchten Ewigkeiten, um nach Bahir Dar zurückzukehren. Unser Programm wurde etwas durcheinander geworfen, aber am Abend haben wir uns noch mit ein paar Kindern getroffen, die wir bis dahin nicht erreicht hatten.
Am nächsten Tag ging es zurück nach Debre Markos und von dort am nächsten Tag nach Addis und endlich Heim nach Debre Zeit, wo ich von meinen Kindern schon erwartet wurde. Es ist gut wieder hier zu sein, es ist gut hier ein Zuhause zu haben, auch wenn die Woche sehr wichtig war.
Trotz einiger Herausforderungen, wie zum Beispiel den vielen Stunden im Minibus (fast 40 insgesamt) oder das Nicht-Auffinden von Kindern hat sich die Reise gelohnt. Ich sehe Gottes Plan von meiner ersten Zeit in Debre Markos bis heute, wo sich so viel für die Kinder verändert hat und ich bin froh ein Teil davon sein zu dürfen. Die schon beschriebene Freude ist ein so großes Geschenk, das ich zurückbekomme und die Erlebnisse dieser besonderen Zeit in meinem Leben sind tief in meinem Herzen eingeprägt. Meine Dankbarkeit das alles s gut funktioniert hat, das wir in wenigen Tagen wirklich viel erreichen konnten ist groß.
<p align="center"
Jetzt genieße ich die Zeit hier in Debre Zeit (auch wenn wir wiedermal kein Wasser haben :P): die Spaziergänge am Abend und das Leben in einer Familie. Ich sehe die Lernprozesse der Kinder und freue mich über die wunderschönen Tage hier, die viel zu schnell vergehen!
<p align="center"
<p align="center"
<p align="center"